Nach 50 Minuten muss die „Schütte-Lanz 1” im Oktober 1911 notlanden – Absturz folgt ein halbes Jahr später.
Die erste Fahrt für das Luftschiff „Schütte-Lanz 1” hat nur 50 Minuten gedauert: Vor über 100 Jahren, am 17. Oktober 1911, musste das in Brühl/Rohrhof gestartete Schiff in der Speckgewanne von Waldsee notlanden. Ein halbes Jahr später stürzte das Schiff sogar über Waldsee und Altrip ab.
Vor dem Ersten Weltkrieg wurde im Raum Mannheim/Ludwigshafen viel vom Luftschiff „Schütte-Lanz” gesprochen, denn die Gesellschaft hatte ihren Sitz in Mannheim, im badischen Rohrhof befand sich die Luftschiffwerft.
Am 17. Oktober 1911 startete das erste Luftschiff „Schütte-Lanz 1” (130 Meter lang, 18 Meter breit). Gehalten wurde es von gut 120 Mann. Um 4 Uhr wurden die zwei Motoren mit zusammen 480 Pferdestärken in Betrieb gesetzt. Um 5.20 Uhr kam das Kommando „Loslassen!”. Sicher erhob sich das mit 20.000 Kubikmeter Wasserstoffgas und 1.000 Kilogramm Wasserballast gefüllte Luftschiff vom Boden ab. An Bord war der Danziger Schiffbauingenieur Johann Schütte als Fahrtleiter, Hauptmann Victor von Müller als Luftschiffführer sowie sieben weitere Besatzungsmitglieder. Das Luftschiff stieg auf 200 Meter Höhe und fuhr in Richtung Speyer davon.
Um 5.35 Uhr versagte jedoch die Steuerleitung, und durch ein Festklemmen konnte das Luftschiff auch nicht notgesteuert werden. Solange die Motoren arbeiteten, zog das Schiff daher große Kreise am Himmel. Nach genau 50 Minuten war die erste Fahrt, die zugleich die erste Landung eines Luftschiffes in der Pfalz war, zu Ende. Auf freiem Feld in der Speckgewanne von Waldsee, wo sich heute ein Neubaugebiet Richtung Schifferstadt befindet, kam es zur Notlandung. Das Schiff blieb unbeschädigt. Zur Hilfeleistung wurde eine Kompanie Pioniere aus Speyer herangezogen, und das Schiff wurde mit Hilfe eingegrabener Ackerwagen mit Stahltrossen und Seilen verankert. Nachdem sich die Nachricht von der Landung von „SL 1” herumgesprochen hatte, kamen aus Speyer und über die Altriper Fähre viele Schaulustige zum Landeplatz.
Am nächsten Tag wurden mit Lastwagen der Firma Lanz von Mannheim Gasflaschen herangeschafft, denn vor der Landung wurden die Ventile gezogen. Mit einer Leitervorrichtung wurde das Schiff, dessen Gerippe aus kaltverleimtem Sperrholz bestand, genauestens inspiziert und um „1/4 3 Uhr”, so die damalige Zeitangabe, wurden am 18. Oktober 1911 die Anker gelichtet und unter begeisterten Hurra-Rufen trat das Luftschiff seine Heimreise an. Etwa 40 Minuten lang konnten Tausende den Flug beobachten, denn das Schiff fuhr nicht gerade schnell. Seine Höchstgeschwindigkeit von 70 Kilometern konnte es bei dieser Fahrt gar nicht erreichen.
Ein halbes Jahr später stieg das Luftschiff am 13. April 1912 erneut auf, um den Zeppelin „Viktoria Luise” über Mannheim in der Luft zu begrüßen. Doch schon eine Viertelstunde nach seinem Aufstieg, kurz vor 12 Uhr, versagte die Steuerung, und das Schiff sauste aus einer Höhe von 300 Metern mit solcher Wucht auf ein Wiesengelände in der Nähe des Rheinauer Bahnhofs, dass durch den Anprall der beiden Gondeln regelrechte Krater entstanden. Alle Besatzungsmitglieder wurden aus den Gondeln geschleudert. Fahrtleiter Schütte blieb nur durch ein Wunder am Leben. Bis auf einen weiteren verletzten Monteur kamen alle Passagiere glimpflich davon.
Doch nun schoss das Schiff herrenlos bis in 1700 Meter Höhe empor und stürzte dann jäh, noch den Rhein überquerend, auf die Waldseer Au ab. In den Baumkronen des Altriper Riedwaldes wurde die Hülle teilweise zerfetzt, Gondeln und Steuerleitungen waren ruiniert. Der Altriper Bürgermeister Michael Baumann stellte Hilfsmannschaften zum Festhalten des Ballons und ließ Weidenbäume zur Freilegung des Terrains fällen. Gegen 15 Uhr kreuzte über Altrip und Waldsee der Zeppelin „Viktoria Luise”, über der Haveriestelle ihres „Kollegen”.
Mit eigener Motorkraft konnte das Schiff nicht zur rund drei Kilometer entfernten Werft zurück. Soldaten zogen es mit Leinen über den Riedwald und den Deich zum Rhein. Von dort wurde es mit Hilfe des Dampfers „Pietro Angelo” über den Rhein gezogen, und schon kurz nach 18 Uhr war „SL 1” wieder in der Halle. Dem Unternehmen gelang es, das reparierte Luftschiff noch im selben Jahr an die Heeresverwaltung zu verkaufen. Doch schon am 16. Juli 1913 wurde es bei Schneidemühle in einem Sturm völlig zerstört. Erstmals in der Luftschiffergeschichte kam dabei auch ein Mann ums Leben.
(Quelle: DIE RHEINPFALZ vom 12.09.2011 / Wolfgang Schneider)